MAN AT WORK: MARKUS T
Üblicherweise sucht man innovative Brillenlabel in Berlin, Kopenhagen, New York und vielleicht zwei Hand voll weiterer Städte. Aber kann modernes Brillendesign auch aus ländlichen Regionen kommen? Gegenfrage: Warum denn nicht? Eine Company steht maßgeblich für dieses vermutete Paradigma: Markus T. Die Firma aus dem ostwestfälischen Isselhorst geht seit Jahren unbeirrt ihren Weg – und das durchaus erfolgreich und frei von provinziellem Mief. Gründer, Namensgeber und Gesicht der Firma ist Markus Temming. Unser Besuch zementiert unsere ursprüngliche Vorstellung von der Person und der Firma. Auf einem Bauernhof, wo sich Produktion, Vertrieb und Office befinden, treffen wir keine Hipster und uns werden auch keine Tofu-Snacks angeboten. Vielmehr sehen wir Mitarbeiter mit hochgekrempelten Ärmeln – die Unterarme frei von Tattoos. Hier ist alles etwas bodenständiger und ruhiger als woanders. Markus begegnet dem üblichen Messerummel, der modischen Marktdynamik und der sozialen Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit der Brillengilde mit ostwestfälischer Gelassenheit. Verglichen mit Markus wirken viele andere aus der Branche so ruhig und stabil wie Nitroglyzerin. Dabei war der Weg zum Status Quo nicht immer geradlinig und auch nicht frei von Zweifeln. Wir lernen Markus als nachdenklichen Designer kennen, der in sich ruht, ohne sich dabei auszuruhen. Seiner Kreativität werden wir dadurch gerecht, dass wir ihm keine Fragen stellen, sondern lediglich ein paar Stichworte vorgeben. Willkommen in unserem Men @ Work.
Der Mensch
„In meiner Brust schlagen zwei Herzen…mindestens“
Berufswelt und Familienleben. Westfälischer Charme auf der einen Seite, pures und geradliniges Design auf der anderen. Es gibt verschiedene Spannungsfelder, in denen ich mich bewege. Widersprüchlich sind sie für mich dennoch nicht. Die Familie ist mir heilig und spielt eine große Rolle in meinem Leben. In meiner Familie kann ich abschalten. Auf der anderen Seite brauche ich die Ruhelosigkeit, den ungebändigten Antrieb und die Inspiration, der ich mit offenen Augen begegne.
Die geradlinigen Brillenfassungen von MARKUS T entstehen nicht etwa in einem hochmodernen Gebäudekomplex. Das Zuhause der Manufaktur ist ein ehemaliger Bauernhof in Gütersloh-Isselhorst, der den typischen Charme alter westfälischer Bauernhäuser versprüht. Hier trifft ländliche Idylle auf geradlinige Produkte. Es ist ein Ort, an dem man die nötige Ruhe hat und sich auf seine Arbeit konzentrieren kann. Mir ist es wichtig, dass sich die Mitarbeiter hier wohl fühlen – und ich mich natürlich auch. Das spiegelt sich in unseren Brillen wider. Wir wollen, dass Brillen nicht nur gut aussehen, sondern auch leicht und bequem sind. Vielleicht ist es ein Vorteil, nicht an den Hotspots der Branche, wie Berlin oder Hamburg, zu sein.
Der Optiker
„Man lernt nie aus“- Dass ich Optiker wurde, war eher Zufall. Der Anstoß kam von meiner Familie. Meine Mutter und meine ältere Schwester hatten die Idee, dass das etwas für mich sein könnte. Und die Optik ist eine spannende und vielseitige Branche. Ich habe nicht nur viel über das Sehen gelernt, sondern auch vieles entdeckt, was verbessert werden kann. Das Handwerk der Augenoptik ist sehr traditionell und, im Vergleich zu anderen Branchen, relativ langsam. Was durchaus ein Vorteil ist, insbesondere wenn man langlebige und nachhaltige Fassungen produziert. Als Designer kommt mir das sehr zu Gute. Allerdings sind Grundkenntnisse in der Optik unabdingbar. Nach der Ausbildung habe ich die höhere Fachschule für Augenoptik in Köln besucht. Meine erste berufliche Station war ein Kontaktlinseninstitut in der Schweiz. Diese Zeit war sehr spannend, aber mein Herz schlug schon dort für Design und Gestaltung. Und so fiel nach anderthalb Jahren die Entscheidung, nach Deutschland zurückzugehen. Wieder in der alten Heimat war die erste Anlaufstelle mein Elternhaus und dort entstand dann auch meine erste Kollektion. Die Entscheidung mit dem Unternehmen dauerhaft hier zu bleiben, ist erst mit der Zeit gewachsen. Heute bin ich froh darüber.
Der Unternehmer
„T für Temming reicht“ Ich bin ein echter Westfale. Das Unternehmen habe ich nach dem gleichen Konzept aufgebaut wie die Marke MARKUS T. Das Wesentliche bestand darin, aus dem Weniger ein bedeutendes Mehr zu erlangen.
Vor allem bei der Finanzierung habe ich das Unternehmen von Beginn an eher konservativ ausgerichtet. Für eine Starthilfe musste ich zunächst Geldgeber von meinem Konzept überzeugen, was mir gelungen ist, ohne mich in meiner unternehmerischen Freiheit zu stark einschränken zu lassen. Es aus eigener Kraft zu schaffen, das war mir sehr wichtig. Klar, mit mehr Kapital wäre vieles schneller gegangen, aber ich wollte das Unternehmen unbedingt auf eigene Füße stellen. Diese Bodenständigkeit zeigt sich genauso im Firmenwachstum: Wir wachsen nicht übermäßig schnell, vor allem nicht zu schnell, dafür aber von Beginn an sehr konstant. Der aktuelle Schritt, eine ehemalige Brennerei zum neuen Zuhause der Manufaktur umzugestalten und das große dazugehörige Areal mit einem Mischkonzept aus Gastronomie und anderen Nutzungsarten zu beleben, ist für mich ein zweiter Neuanfang. Auch hier war es zunächst entscheidend, andere von meiner Idee zu überzeugen, was mir geglückt ist und worauf ich sehr stolz bin. Nach 15 Jahren MARKUS T ist das ein völlig neuer Abschnitt mit sehr viel Potential. Für eine zukunftsorientierte Ausrichtung wird es neue Technologien brauchen. In einer „gläsernen Manufaktur“ werden wir unser Handwerk der interessierten Öffentlichkeit zugänglich machen – es ist interessant, wie viele Menschen sich für die manuelle Fertigung begeistern.
Das Projekt geht vielleicht etwas über die westfälische Bodenständigkeit hinaus, doch ist es eine reizvolle Herausforderung und ein wichtiger Schritt für die weitere Entwicklung von MARKUS T.
In meiner täglichen Arbeit bleibe ich ebenso bodenständig. Mir ist es sehr wichtig, jeden Prozess im Unternehmen zu kennen und jedes kleine Detail zu wissen – von der Entwicklung eines Produkts bis hin zu seiner Realisierung. Nur so lassen sich neue und bessere Lösungen finden. Wie können wir 100% erreichen? Das ist die Frage, die mich stets vorantreibt. Ich habe das Glück, ein super Team um mich zu haben, ein wichtiger Grund, weshalb die Arbeit so viel Spaß bringt.
Der Designer
„Funktion und Formsprache…darauf kommt’s an“
Was ist eigentlich Design und was ist vor allem gutes Design? Für mich zählt das Gesamtprodukt. In jedem Designer sollte auch ein Entwickler stecken. „Form follows function“ war früher – heute ist eine Kombination aus ästhetischem Gestalter und technisch versiertem Tüftler unerlässlich.
Diese Entwicklung habe ich selbst durchgemacht. In der Vergangenheit stand für mich die Funktion einer MARKUS T Brillenfassung stark im Fokus, heute spielt die Formsprache eine ebenso wichtige Rolle.
Wenn ich Produkte, Automobile oder Bauwerke sehe, die rein nach äußerlicher Gestalt entwickelt wurden und die technischen Komponenten erst mit viel Aufwand der Form folgen, stellen sich mir die Nackenhaare auf. Es muss zwischen beiden ein konstruktives Zusammenspiel geben. Heute bin ich überzeugt, dass eine einseitige Ausrichtung keine Zukunft hat und sich gutes Design in Richtung Gleichgewicht und Einklang entwickeln wird. Deshalb geht MARKUS T ebenfalls diesen Weg. Die Produktion und Entwicklung komplett in Deutschland machen es möglich, auf jeden Schritt Einfluss zu nehmen. So sind wir frei von Konventionen und können unsere Ideen verwirklichen. Am Ende steht ein tolles, ausgewogenes Produkt, das dem Träger Freude bereitet. Zusätzlich schonen wir unsere natürliche Umwelt, nutzen unsere Ressourcen gewissenhaft und produzieren nachhaltig.
Der Perfektionist
„Das reicht nicht“- Auf jeden Fall – das kann ich nicht leugnen. Menschen, die mich kennen, würden mich auslachen, wenn ich anderes behaupte.
Der Zweifler
„Das mache ich doch nicht bis zum Ende, oder?“- Ich stelle oft Dinge in Frage, als Zweifler bezeichne ich mich dennoch nicht.
Wir mussten, gerade in den Anfängen des Unternehmens, einige Hürden überwinden, aber ich war davon überzeugt, dass wir genau das Richtige tun.
Zugegeben, es gab eine Phase, in der ich mir nicht sicher war, ob ich ein Leben lang Brillen bauen möchte. In der Zeit fühlte ich mich als Bremse im eigenen Unternehmen, eine Entscheidung musste her. Da Aufgeben nicht in Frage kam, musste ich mich neu motivieren. Eine simple Überlegung brachte mich wieder in die Spur. Ich hatte mir das Ziel gesetzt, noch vor meinem Fünfzigsten weitere, neue und vom Brillenbusiness unabhängige Ideen zu realisieren.
Das hat funktioniert. Mit voller Energie konzentriere ich mich heute wieder auf die Konstruktion einzigartiger Brillen, genauso wie auf völlig neue, andere Projekte. Ich werde auch weiter die Dinge, die ich tue, hinterfragen, denn eins möchte ich nie: stehenbleiben.
Der Ostwestfale
„Inzwischen bin ich angekommen“- Heimatliebe ist in Ostwestfalen sehr verbreitet. Ich sehe, dass viele Freunde und Bekannte, die damals hier weg gegangen sind, mit dem Ziel nie zurückzukehren, heute glücklich sind wieder hier zu sein. So ähnlich war es auch bei mir. Nach meiner Rückkehr aus der Schweiz war mein Elternhaus der erste Anlaufpunkt. In der ersten Zeit fühlte ich mich sehr deplatziert. Heute sehe ich die Vorteile der Region: Auch für meine Kinder ist die Umgebung klasse, es gibt viel Grün, man fühlt sich zusammengehörig, das Umfeld stimmt und kulturell hat Ostwestfalen auch einiges zu bieten. Außerdem findet man in dieser Region erstaunlich viel Kreativität gepaart mit Ingenieurskunst.
Der Sammler und Liebhaber
„Gutes Design ist zeitlos“- Ich habe eine gewisse Sammelleidenschaft für Autos. Design ist mir in allen Lebenslagen wichtig. Ich betrachte gerne schöne Automobile, Objekte, Bauwerke und Kunst.
Autos haben besonders von ihrer Designgeschichte her einen gewissen Reiz. Gerade Fahrzeuge aus den End 50ern bis in die 70er Jahre faszinieren mich. In den Jahren davor konzentrierte sich die Entwicklung der Autobauer in erster Linie auf technische Aspekte. Aber dann kam das Design mehr und mehr ins Spiel. Früher gab es eine andere Herangehensweise als heute: Wenige Personen designten gemeinsam ein Fahrzeug und daraus entstand ein stimmiges Gesamtbild. Heute entwickeln verschiedene Teams die Designs für einen Fahrzeugtyp. Was hier fehlt – ist die Abstimmung untereinander. Jeder ist spezialisiert auf seinem Gebiet, nur fügt es sich nicht mit den anderen zusammen.
Wahrscheinlich ist genau das der Grund, weshalb es so schön ist, Brillen zu designen. Jedes noch so kleine Detail kann man selbst gestalten und es passt am Ende immer zum Gesamtkonzept. Das spiegelt sich im Ergebnis wider. In vielen anderen Branchen ist das heutzutage gar nicht mehr möglich.
Nach 15 Jahren blicken wir auf ein kleines Stück Designgeschichte. Mit der Design-Kollektion fing alles an. Diese Kollektion war die erste von MARKUS T und sie läuft bis heute. Sie hat den Weg revolutioniert und ist nach wie vor spannend, aktuell erfährt sie einen Relaunch. Die ME/M1 war die erste Kollektion nach meiner Schaffenskrise und sie zeigt ganz klar den Neubeginn: ein neues, selbst entwickeltes Material, eine andere Formsprache, der Mut zur Farbe. Ein Meilenstein aus der neusten Geschichte von MARKUS T ist die M3 X. Seit 2013 ist die M3-Kollektion um eine Reihe von Brillen ergänzt worden, die das X im Namen tragen. Es sind Brillen mit starker Materialtiefe und einem expressiven Ausdruck. Die M3 X beschreibt sehr genau unseren Markenkern. Es geht um Komfort und Leichtigkeit, bei allen Materialstärken und nicht nur um Minimalismus. Meine persönlichen Lieblingsbrillen sind im Moment die M3.327 X und die Sonnenbrille SUN M2.643.
Der Visionär
„Träumen erlaubt“- Als Visionär möchte ich mich nicht bezeichnen – meine Frau würde jetzt lachen. Wir machen nichts Unerreichbares, sondern finden Lösungswege, die zukunftsorientiert sind und manchmal der Technik von heute voraus sind. Träumen ist für mich selbstverständlich, das Umsetzen von Träumen noch mehr. Ich versuche immer einen Weg zu finden, auch wenn es manchmal so aussieht, als gäbe es keinen. Wenn man erst über Hürden nachdenkt, die einem Ziel entgegen stehen, kommt man nicht weit. Ich versuche, ohne Barrieren zu denken. Trotzdem verstehe ich mich nicht als Visionär, denn das ist für mich jemand, der Unerreichbares anstrebt. Ich sehe aber alles, was ich mir ausdenke, als machbar an – andere sehen das vielleicht anders.
Der Mitbewerber
„Unspektakulär“- Als Konkurrent sind wir eher unspektakulär. Wir machen unser eigenes Ding, wir imitieren nicht, stehen für zeitloses Design und Eigenständigkeit. Uns zu kopieren, macht eher keinen Spaß. In der Branche gibt es wenige vergleichbare Firmen, von den meisten grenzen wir uns deutlich ab. Unser Produkt wirkt einfach, ist es aber nicht, denn dahinter steckt eine besondere Gesamtphilosophie, die sich nicht kopieren lässt. Unsere Produkte leben von der engen Bindung zu unseren Partnern, von dem Verstehen und dem Bezug zu MARKUS T. Inspirieren lasse ich mich insbesondere aus anderen Bereichen. Wir von MARKUS T arbeiten in einer eigenen Welt.
Natürlich verfolgen wir interessiert die Entwicklungen der Mitbewerber. Beeindruckend sind vor allem Unternehmen, die beständig innovativ und erfolgreich sind.
Das Herrchen
„Die Hunde kommen überall mit hin“- Ein Hund gehört für mich zum Familienleben. Als Kind war es mir wichtig, mit einem Hund aufzuwachsen und heute erfülle ich meinen Kindern den gleichen Wunsch. Ich bin der Auffassung, dass Tiere einen besonders prägenden, positiven Einfluss auf Heranwachsende haben.
Arun ist ein Briard, ein Hütehund, und seit acht Jahren mein enger Begleiter. Der Hund ist ein fester Bestandteil in der Firma und im Team von MARKUS T. Seit einigen Wochen folgt ihm eine kleinere Ausgabe auf Schritt und Tritt. Caruso, ein direkter Nachkomme von Arun, wird nun ebenso voll in den Familien- und Firmenalltag integriert. Ich genieße die Ruhe und Gelassenheit dieser Hunderasse, was in Stresszeiten beinahe therapeutische Wirkung auf mich hat – zumindest bei Arun. Caruso hält uns noch in typischer Welpen-Manier ordentlich auf Trab.
Der Abenteurer
„Das Wasser kann nicht tief genug sein“- Das Abenteuer passt zu mir, aber ich kenne auch seine Grenzen. Neben der Bodenständigkeit gehört die Abenteuerlust zu mir, auch wenn es widersprüchlich erscheint. Für mich ist es reizvoll, ein Risiko zu wagen oder einen Schritt weiter zu gehen als andere. Früher hat das manchmal dazu geführt, dass ich mich selbst überschätzt und mich in gefährliche Situationen gebracht habe. Es muss nicht immer alles kalkulierbar sein, aber ich erinnere mich an das unvergleichliche Gefühl der Schwerelosigkeit beim Tiefseetauchen. Das machte süchtig, war für mich eine Art Tiefenrausch, dem ich kaum widerstehen konnte. Ein spannendes, aufregendes Erlebnis, das nicht ungefährlich ist.
Soweit würde ich heute nicht mehr gehen. Ich trage als zweifacher Vater mehr Verantwortung, auch wenn die Abenteuerlust geblieben ist. Manche Ideen reizen mich dennoch so sehr, dass ich sie vielleicht irgendwann auch in die Tat umsetzen werde. Um die Welt segeln, sich für eine Zeit lang den Launen des Meeres und der Herausforderung des Alleinseins hinzugeben, das würde mich reizen.